Bild von der Gedenkseite für Erika Wünsch

Erika Wünsch

* Grönsdorf bei Lauban (Schlesien) 1918 † Höhrenlirchen-Siegertsbrunn 2020
Stofftaschentücher, Waschtag und Licht aus der Petroleumlampe

Erika Wünsch wurde am 11.11.2018 hundert Jahre alt. Ich hatte sie zu ihrem Geburtstag interviewt. Hier ein Auszug:

Fr. Wünsch: Unter dem Ortsschild meiner Heimatstadt in Schlesien stand: „Lauban putzt der ganzen Welt die Nase.“ Die Stadt war bekannt für ihre Webereien, von denen sich einige auf die Herstellung von Stofftaschentüchern spezialisiert hatten. Auch mein Ehemann hatte eine Weberei. Deswegen wurden wir nach Kriegsende nicht gleich vertrieben. Im Gegenteil: Uns wurde die Ausreise sogar verboten! Schließlich sollte unsere erfolgreiche, auch für den Export produzierende Firma weiterlaufen. Wir sind dann erst 1957 nach Deutschland übergesiedelt. Mein Mann wollte dort wieder eine Weberei eröffnen. Aber bei der Berufsberatung wurde ihm dringend abgeraten: Die Zeit der Stofftaschentücher war eben vorbei…

Liepold: Stofftaschentücher? Ich weiß, dass es so etwas gibt. Aber meine 51-jährige Nase hat sie noch nie in eines geschnäuzt. Meine Generation wurde bereits mit „Tempo“ groß…

Fr. Wünsch: Ich bin auch ohne Elektrizität aufgewachsen. Wir hatten Petroleumlampen und wenn ich als Kind in den Keller geschickt wurde, bekam ich eine Kerze in die Hand gedrückt. Natürlich gab es auch kein fließendes Wasser – geschweige denn warmes! Das Wasser wurde vom Brunnen im Hof geholt. Einmal in der Woche war Waschtag. Da wurde dann eine Blechwanne in die Küche getragen und mit Wasser gefüllt, das davor auf dem Herd heiß gemacht wurde. Dann wurden wir Kinder – ich hatte drei Geschwister – nacheinander gewaschen. Ganz am Ende wurden dann noch die Windeln vorgereinigt, bevor sie zum Auskochen kamen. Das heiße Wasser sollte wirklich ausgenutzt werden…

Liepold: Heute würde man sagen: „umweltbewusst…“!

Fr. Wünsch: Damals war Vieles viel aufwendiger als heute. Aber trotzdem: Wir waren glücklich und zufrieden! Statt eines Supermarktes hatten wir einen Garten mit Obst und Gemüse. Ich war nie verwöhnt. Deswegen bin ich vielleicht als alte Frau auch nie mäkelig geworden?“
 
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