AM GRAB DER MUTTER
Habe ich ihr je gesagt,
dass sie Segen war für mein Leben?
Habe ich ihr genug gedankt
für die helle Spur, die sie zeichnete
in die karge Landschaft meiner Kindheit?
Sie hat mir Kosenamen geschenkt,
die mich heute noch wärmen.
Immer war ich willkommen
in dem Haus, dem sie die Seele gab.
Ich höre noch ihr fröhliches Lachen.
Es tut mir immer noch wohl.
Das größte Vermächtnis aber,
das sie mir ließ,
ist die stille Würde,
mit der sie ihre Qualen trug.
Dass ein Mensch dies vermag:
noch im Todesschatten fraglos schenkend sein.
Nicht, dass sie stark gewesen wäre von Natur aus.
Sie war eine Liebende.
Daraus allein erwuchs ihr alle Stärke.
Sie war begnadet und hat es nicht gewusst.
Ich aber danke dir, Gott,
dass sie bei uns war.
Antje Sabine Naegeli