Abschiedlich leben? Franz Wich, Pfarrer im Schuldienst, erzählt vom Lebensende einer Freundin.
Wie ein Kind wieder werden
und Greisin doch sein.
Lebenswach und sterbensmüde.
Einer alten Freundin geht es nicht mehr gut:
Den großen Bauerngarten,
den sie Jahrzehnte gepflanzt und gepflegt hat,
kann sie nur noch durch ihr Fenster sehen.
Sehnsüchtig schaut sie von ihrem Bett aus hinaus,
sieht, wie die tausend und abertausend Blüten
sie sommerleicht durchs Fenster grüßen.
Ach, wäre ihr doch noch einmal
ein Gang durch ihren Garten vergönnt.
Doch die linke Hüfte macht es ihr unmöglich.
Ins Krankenhaus zur Operation
will sie nicht mehr.
Lesen kann sie nicht mehr,
ihr Augenlicht ist schwach geworden.
Besuche bekommt sie kaum,
viele Freunde von früher
haben sich zurückgezogen -
sie weiß nicht warum.
Drei sind es, die ihr einkaufen und kochen
und beim Essen noch bleiben.
Wenige melden sich am Telefon;
meist ist es still um sie.
Es fällt ihr so schwer,
wieder ganz auf andere angewiesen zu sein,
selbst wieder wie ein Kind zu sein -
sie, die doch ihre Kinder,
Kindeskinder
und deren Kinder
hat großwerden gesehen.
Ihre Gedanken sind groß und bunt
wie die der Kinder.
Doch wer hört ihr zu,
wenn sie von ihren Träumen erzählt,
von denen, deren Stimme sie nachts hört?
Wer hält sie mit ihr aus,
ihre Sehnsucht zu sterben?
Wer erträgt, dass sie nur noch leise spricht,
sich manchmal wiederholt
und die Wörter ihr nicht mehr sicher folgen?
Doch dann blüht in einem Moment
ihr ganzer Garten aus ihr selbst,
blüht aus ihr der Wunsch
nach ehrlichen Gesprächen,
sucht sie nach dem Sinn,
warum sie denn noch bleiben soll,
lauscht dankbar der Freundin,
die sie in ihrem letzten Zimmer besucht
und mit ihr betet,
bevor sie wieder lange schläft.