Meine Tante Mechthild!

Ich habe sie selber nie kennengelernt, aber als Kind wurde mir viel von ihr erzählt: Rote Haare hatte sie, das erste Mädchen im Dorf, das Abitur machte, eine begabte Krankenschwester. Sie zog sich gerne schick an und brachte ihren jüngeren Geschwistern Geschenke mit, wenn sie nach Hause kam. Auf Fotos sieht sie immer ein bisschen traurig aus. Mit 24 Jahren hat sie sich aus dieser Welt verabschiedet.

Fast wäre ich an ihrem Geburtstag zur Welt gekommen. Das hat vor allem meiner Mutter und meiner Großmutter viele Sorgen bereitet: "Hoffentlich kommst du nicht an ihrem Geburtstag auf die Welt!" Am Ende kam ich dann einen Tag früher und die Erleichterung war groß.

Nah fühle ich mich ihr, obwohl ich sie nie kennenlernen durfte. Als Kind habe ich Gott dafür geschimpft, dass ich sie nie kennenlernen durfte. Und dann nachts davon geträumt, wie sie lächelt und von Licht umgeben ist.

Heute wird in der Familie nicht viel über sie gesprochen. Das gebrochene Herz und der Schmerz verschwinden nicht. Doch zum Glück bleiben auch die Liebe und der Trost, dass sie nun an einem friedlichen Ort ist.

Und so denke ich heute an dich, Mechthild, und hoffe darauf, dass ich dich eines Tages persönlich kennenlerne.
Bis dahin: Ruhe in Frieden!