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von Thomas

Der letzte Muttertag

Was ich von ihr gelernt habe? Zu vertrauen, wie es Kinder tun. Zu glauben, wo man noch nichts sieht. Und durchzuhalten, auch wenn es schwerfällt. Nun war sie fast am Ziel, schwach und still freute sie sich, ihre geliebten Männer wiederzusehen - Jesus natürlich, ihren Sohn Johannes und Oskar, ihren Mann. Alles war nur einen Schritt weit entfernt - das ewige Licht, die goldenen Straßen und die Perlentore. Welch ein Glaube. Welch eine Gewissheit. Welch eine Kraft. Danke, Mama.

Ich sehe meiner Mutter
beim Sterben zu,
ihre Haut ist faltig und zart,
ihr Lächeln sanft, fast fröhlich.
Du bist auf dem Weg, sage ich.
Ich weiß, sagt sie,
bald bin ich da.

Wenn ich ihr nur helfen könnte,
der unerkannt Geliebten.
Aber was weiß ich schon.
Sie hat mir doch gezeigt,
wie man aufrecht
an allen Tischen sitzt
und die linke Hand
neben den Teller legt,
wenn man
seine Suppe auslöffelt.

Wie schön,
dass du da bist,
flüstert sie.
Ich gebe ihr zu trinken.
Sie atmet schwer.
Da warten welche auf dich,
sage ich.
Ich weiß, flüstert sie,
ich sehe sie schon.

© Thomas Lardon
aus: STEH DEINEN TRÄUMEN NICHT IM WEG. Privatdruck. Signiert. 15.- Euro. Bestellen unter: www.lardon.me