Wie sind Kunst – als Gestaltung der Gegenwart – und Friedhof zusammenzubringen? Für wen soll die Kunst auf dem Friedhof sein? Und welche Kunst? Kunst, verstanden als Form experimenteller Freiheit? Kunst, die den Friedhof vom Erinnerungs- zum Erfahrungsraum öffnet? Kunst, die zum Nachdenken über das Leben und den Tod ermutigt? Kunst, die uns im Innersten berührt, die schmerzt, die Hoffnung gibt?
Eine Kunstausstellung auf sechs Friedhöfen in ganz Bayern
Bunte Spiegelflächen auf einer hoch aufragenden Skulptur, die das Sonnenlicht über historische Grufthäuser leiten. Eine Skulptur, die die Unendlichkeit in einer leuchtend gelben filigranen Endlosschlaufe abbildet. Streichholzschachteln mit „guten Geistern“ bedruckt. Das sind nur drei der Werke, die 28 Künstlerinnen und Künstler für die Ausstellung „…unendlich still“ geschaffen haben. Sie setzt sich an sechs Orten mit dem Thema Tod und Friedhof auseinander. Je ein Friedhof in den sechs Kirchenkreisen der bayerischen evangelischen Landeskirche wird vom 1. Mai bis 30. September Schauplatz zeitgenössischer Kunst.
Der Friedhof solle als Ort der Auseinandersetzung mit dem Sterben auf künstlerische Weise durch Video, Fotografie, Malerei, Zeichnung, Sound, Installationen und Skulpturen wieder stärker ins Bewusstsein rücken, sagte Helmut Braun, Leiter des landeskirchlichen Kunstreferats am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Etwa die Hälfte der Arbeiten der vorwiegend aus Bayern stammenden Kunstschaffenden sei eigens für die Ausstellung entstanden, kein Ausstellungsort gleiche dem anderen.
Die Kunst wolle „den Friedhof als Ort der Auseinandersetzung mit dem Sterben wieder stärker ins Bewusstsein rücken und ihn mit künstlerischen Sichtweisen neu beleben“, sagte Braun. Kunst könne eine Friedhofsanlage zu einem lebendigen Denk- und Experimentierraum erweitern. Das Kunstreferat hatte für die Ausstellung zunächst den Titel „unendlich schön“ vorgesehen. Angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine habe man ihn in „…unendlich still“ geändert, hieß es.
Leid, Sterben und Tod würden heute nahezu ausgeblendet - und doch gehe eine starke Faszination davon aus, betonen die Ausstellungsmacher. Gerade Künstlerinnen und Künstler beschäftigten sich häufig mit existentiellen Problemen und Grenzerfahrungen sowie mit den letzten Fragen des Lebens. Mit ihren oftmals direkten und provozierenden Arbeiten können sie Debatten über die Hintergründe und Folgen des Umgangs mit dem Tod anstoßen, heißt es in einer Mitteilung. „Sie rütteln an moralischen Grundprinzipien, kratzen an der Oberfläche einer allzu sentimentalen Trauerkultur und fordern so die Betrachter heraus, ernsthaft Stellung zu beziehen.“
Ein umfangreiches Begleitprogramm mit je eigenen Eröffnungsveranstaltungen, Künstlergesprächen, Vorträgen und Konzerten findet an den sechs Orten statt. Die erste Vernissage ist am Sonntag, 1. Mai, um 19 Uhr am Stadtfriedhof in Bayreuth. Weitere Stationen sind der Stadtfriedhof Ansbach, der evangelische Friedhof in Oberallershausen (Landkreis Freising), der Evangelische Zentralfriedhof in Regensburg, der Protestantischer Friedhof in Augsburg und der Nürnberger Johannisfriedhof.
(Foto: Christian M. Schreiber)