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von Team gdw

Kunst als Trostquelle

Ein ganz persönliches Trauerbild: Wie die Malerin Gabriele Engelfried sich mit Hilfe der Kunst der Trauer um ihre Mutter stellt.

Meine Mutter ist einfach aus ihrem Mittagsschlaf nicht mehr aufgewacht. Meine Mitwelt tröstet mich mit den Worten wie: ›sie hatte einen schönen Tod‹, ›sei froh, dass deine Mutter kein Pflegefall wurde‹. Diese Worte sind wohlgemeint, aber sie treffen nicht den Kern des Schmerzes, den dieser Tod in mir hervorruft.

Der Trauerschmerz lässt sich nicht verdrängen, und doch brauche ich Kraft und Selbstdisziplin, um den Alltag ohne sie zu bestehen. Ich muss in meinem künstlerischen Alltag einen Neuanfang wagen, um bildnerisch mit meiner Situation zurechtzukommen. Und da bietet mir die künstlerische Auseinandersetzung in  Zeichnung und Malerei Bewältigungsmöglichkeiten.

Mein Kraftort liegt auf der Schwäbischen Alb. Auf einem Zeugenberg, dem Kornbühel, steht die Salmendinger Kapelle, sie ist der Hl. Mutter Anna geweiht. Beim Hochsteigen passiere ich die steinernen Kreuzwegstationen und blicke rechts auf eine Gruppe vom rauen Albwetter zerzauste Kiefern. Tautropfen hängen an den Zweigen. Ich setze mich dort auf eine Bank, hole meinen Skizzenblock heraus und beginne drauflos zu zeichnen, wie es mich im Innersten antreibt.

›Das werden meine Tränenkiefern.‹ Ich versuche, ihre bizarre Gestalt zu erfassen, konzentriere mich auf das Wesentliche und lege mehrere Skizzen an. Ich suche nach den fließenden Übergängen von hell und dunkel, ich übertrage die äußere Form, und integriere sie in einen landschaftlichen Zusammenhang. Das sind meine Ausgangsinformationen für eine weitere Arbeit zu Hause in meinem Atelier.

Mit den Eltern sind wir oft über die Alb gewandert und im Alter haben sie sich dort auf eine Bank unten im Kornbühl gesetzt und gevespert, während ich zur Kapelle hochgestiegen bin. Es gibt Orte, die erzeugen Gegenwart in einem Erinnerungsprozess und trösten damit auf ihre Weise. Leben und Tod sind Teil der Schöpfung und unmittelbar miteinander verbunden. ›Leben um zu sterben‹ war immer ein geflügeltes Wort vom Vater. Ich besuche diesen Ort öfters und es entstehen immer neue Bildzusammenhänge, die diese einzigartige Landschaft mit meinen traurigen Erinnerungen verbindet.

Ich erfahre Trost über meine Bildsprache.

(so zitiert in Ursula Engelfried-Rave, Trost suchen und Trost spenden. Tröstung aus soziologischer Sicht, in Benkel, Coenen, Meitzer, Lebensende, 2024, S. 120)