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von Lea

Kurt Cobain: Wie mit einem Suizid umgehen?

Nachahmern keine Vorlage geben, aber trotzdem den verstorbenen Menschen ohne Schuldzuweisungen würdigen: Der Umgang mit einem Suizid führt in ein psychologisches Dilemma.

Kurt Cobain auf einer Homepage, die von der Kirche verantwortet wird: Hey, wie geht das denn???

Okay, zunächst räume ich ein: Cobain ist randvoll mit Heroin und mit einer Kugel, die er sich selber in den Kopf gejagt hat, tot aufgefunden worden. Damit fällt er als Vorbild für den Konfirmandenunterricht definitiv aus.

Aber ist das Schicksal des legendären Musikers nicht vielleicht auch eine Chance, fair und reflektiert über das Thema “Suizid” nachzudenken?

Cobain war zwar als Bandleader der Rockband “Nirwana” unglaublich erfolgreich. Aber er hatte trotzdem ein Scheißleben. Als Kind war er hyperaktiv und wuchs in einem Patchwork-Familiensetting auf, das ihm absolut keinen Halt gab. Wutausbrüche, Enttäuschungen und ein tiefes Gefühl von Heimatlosigkeit prägten seine jungen Jahre. Bis zu seinem 18. Geburtstag war er in zehn verschiedenen Familien - u.a. bei beiden Elternteilen, den Großeltern, einem Onkel, in Pflegefamilien - untergebracht. Aber nirgendwo konnte er wirklich Wurzeln schlagen, so dass er als er volljährige wurde, oft in seinem Auto schlief.

Cobain litt unter chronischen, starken Magenschmerzen. Eine Ursache für diese quälenden Schmerzen wurde nie gefunden, so dass sie auch nicht erfolgreich behandelt werden konnten. Die Schmerzen gingen auch nicht weg, als er auf Alkohol und Zigaretten verzichtete. Irgendwann konnte er sie nur noch mit Heroin ertragen. Eine Spirale aus Drogensucht, chronischen Schmerzen und psychischen Krankheiten waren die Folge. Den Tod indessen assoziierte Cobain mit Frieden und einer zu Lebzeiten nie erlebten Erlösung. Er sagte: “Wenn du stirbst, bist du vollkommen glücklich und deine Seele lebt irgendwo weiter. Ich habe keine Angst zu sterben. Vollkommener Frieden nach dem Tod, jemand anderes zu werden ist die beste Hoffnung, die ich habe.”

Wir wissen heute, dass alleine schon die Berichterstattung über Suizide Menschen in ihrer Suizidneigung bestärken kann. Es wäre deshalb überaus verantwortungslos, aus dem Freitod eines Prominenten wie Cobain einen Kult zu machen.

Zugleich weiß ich aber auch aus meiner eigenen Familiengeschichte, wie stigmatisierend ein Suizid sein kann. Wir können Menschen, die aus eigenem Willen aus dem Leben geschieden sind nicht einfach “totschweigen”. Ich finde, gerade Kurt Cobains Geschichte zeigt uns, dass “Versagen” und “Schuld” keine angemessenen Kategorien sind, um einen Suizid zu thematisieren.

 

Foto: commons.wikimedia.org/wiki/File:Kurt_Cobain_1991_cropped.jpg#/media/Datei:Kurt_Cobain_1991_cropped.jpg